DAS LEBEN UND DIE ZEIT
Das Postamt ist nicht nur ein Tempel, sondern auch eine Fabrik, in der Bindungen, Interessen, Aktivitäten – kurzum, Leben – entstehen.
José Francos Rodríguez, 1916
Mitte des 19. Jahrhunderts stand das baufällige Post- und Telegrafengebäude an der Puerta del Sol kurz vor dem Einsturz. Die spanische Regierung beschloss daher, ein neues Hauptgebäude für die dringend benötigten Post- und Telegrafendienste in einer Stadt zu errichten, die sich rasant entwickelte und expandierte.
Der gewählte Standort befand sich an der Plaza de Emilio Castelar (heute Cibeles), wo sich damals die Jardines del Buen Retiro befanden. Dieses neue Stadtzentrum war sowohl für die Bewohner der überfüllten Altstadt als auch für die der neuen Vororte gut erreichbar. Zwei junge Architekten gewannen 1904 den öffentlichen Wettbewerb: Antonio Palacios und Joaquín Otamendi.
Schon vor seiner Einweihung im Jahr 1919 war das neue Hauptgebäude der Madrider Post- und Telegrafenbehörde dazu bestimmt, ein umstrittener Protagonist der Stadtikonografie zu werden. Ob man es nun mag oder nicht, die Fassade des Palacio de Cibeles ist – wenn das überhaupt möglich ist – neben dem Brunnen, der der Göttin geweiht ist und den Platz, auf dem er steht, überragt, das wohl bekannteste und repräsentativste Wahrzeichen Madrids. Sie gehört zu jener Gruppe unverwechselbarer Stadtikonen wie dem Eiffelturm, der London Bridge und dem Kolosseum in Rom.
Der Cibeles-Palast, von den Madridern einfach nur „Correos“ genannt, spielte im 20. Jahrhundert sowohl im politischen Leben der Stadt als auch im persönlichen Leben ihrer Bürger eine entscheidende Rolle. Vor über einem Jahrzehnt in einen Kulturraum und Sitz der Madrider Stadtverwaltung umgewandelt, bietet das Gebäude der Öffentlichkeit weiterhin die Essenz des vielfältigen Charakters der Stadt: Hier trifft das typische Madrid auf das Kosmopolitische, das Moderne auf das Traditionelle, das Erhabene auf das Volkstümliche und schafft so ein facettenreiches, lebendiges und geheimnisvolles Ganzes, das sich schwer definieren oder kategorisieren lässt.
Die Ausstellung basiert einerseits auf dem Gebäude selbst, das zum zentralen Ausstellungsstück wird, und andererseits auf dem
historischen Material, das seine Geschichte erzählt: technische Dokumente, Bilder, Meinungen und die historischen Ereignisse, die es miterlebt hat.
