Intangible Proof
Volksgeschichten, traditionelle Lieder oder die Praxis des Träumens gelten nicht als geeignete Formate zur Darstellung der „Wahrheit“ vor Menschenrechtsgerichten. Wenn indigene Gemeinschaften sich an gerichtliche Gremien wenden, um ihr traditionelles Territorium zu schützen, müssen Beweise vorgelegt werden, die ihren Anspruch belegen. Während traditionelle Bindungen an ihr Land oft Schlüsselaspekte im Fall darstellen, werden sie meist so übersetzt, dass sie in den westlichen Rechtsrahmen passen. Zwei von indigenen Gemeinschaften vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereichte Fälle gegen den Staat Ecuador, in denen jeweils die Mitschuld des Staates an der Gewinnung natürlicher Ressourcen auf indigenem Territorium im Amazonas-Regenwald angeprangert wird, stellen gängige Praktiken der Beweiserstellung und der Darstellung der Wahrheit in Frage indigene Territorialfälle.
Im Fall Pueblo Indígena Kichwa de Sarayaku vs. Ecuador (2012) veranlasste das Ziel der Gemeinschaft, Präsenz im Gerichtssaal zu schaffen, das Gericht, das indigene Territorium zu besuchen. Pueblos Indígenas Tagaeri y Taromenane vs. Ecuador ist derzeit vor dem Gericht anhängig – der erste Fall, in dem es darum geht indigene Völker in freiwillige Isolation und verweigern damit jeglichen Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft, worüber das Gericht entscheiden wird. Mithilfe von Video-, Ton- und Kartierungsarbeiten beleuchtet die Ausstellung „Intangible Proof“ die Schwierigkeiten, die Werte indigener Völker an ein westlich orientiertes Gericht zu bringen. Es wird untersucht, wie die Territorialität der Tagaeri Taromenane verstanden und visualisiert werden kann, ohne ihr Recht auf Isolation zu verletzen, und wie räumliche Kartierungstechniken neu überdacht werden können, um die Art und Weise des Zusammenlebens mit dem Wald zu verstehen.
Die Ausstellung basiert auf der Forschung von Nina Kolowratniks einjähriger Feldforschung in Ecuador, die sie in den Jahren 2022–2023 im Rahmen ihrer Promotion in Rechtswissenschaften durchführte. Es zeigt Werke von Berta Gualinga, Eriberto Gualinga, Nina Valerie Kolowratnik, Sacha Manchi Escuela Ambulante de Cine Comunitario, Ena Santi, Katherine Terán sowie mit Roberto Narváez und Octavio Cahuiya.
Eröffnung am Freitag, 15. Dezember um 19 Uhr
Sprecher*innen: Nina Kolowratnik, Christina Korak, René Kuppe & Eduardo Pichilingue