Smart City: The Next Generation
Aedes East e.V. veranstaltet im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen Berlin 2013 unter Leitung der Kuratorin Ulla Giesler eine Ausstellung zum Schwerpunktthema ‚Smart City’. Erstmals mit dem regionalen Fokus auf Süd-Ost-Asien und mit Augenmerk auf die kommende, mit-gestaltende Generation. Dabei geht es um intelligente Lösungen im Hinblick auf Umwelt, Infrastruktur, Gesellschaft und Nachhaltigkeit im urbanen Kontext. Adressaten und Teilnehmer der Ausstellung „Smart City: The Next Generation“ sind nicht nur Architekten und Stadtplaner, sondern auch die ‚Macher von Stadt’. ‚Stadtgestalter’ im weitesten Sinne: Urbanisten, Künstler, Aktivisten, Umweltschützer, aber auch Institutionen, Hochschulen, politische Entscheidungsträger, Investoren, Ingenieure, Wissenschaftler und die Wirtschaft. In der Ausstellung “Smart City: The Next Generation” und weiteren Veranstaltungen im Architekturforum Aedes am Pfefferberg werden innovative Smart City-Projekte aus Süd-Ost-Asien vorgestellt und diskutiert: Gebäude, Planungen, urbane Interventionen, Initiativen und Zukunftsvisionen von arrivierten, international agierenden Akteuren sowie jungen Architekten, Stadtplanern und Initiatoren aus Thailand, Kambodscha, Malaysia, Singapur, Indonesien, Vietnam und den Philippinen, die die Städte neu beleben, sie intelligenter, nachhaltiger, wirkungsvoller und vor allem lebenswerter machen. Darüber hinaus werden in der Ausstellung und im Katalog die Ergebnisse der Studentenworkshops präsentiert, die Aedes im Rahmen des Projekts in Phnom Penh, Jakarta und Manila initiiert hat und die den Blick der jungen Generation in die Zukunft zeigen. Der Umstand, dass in Schwellen- und Entwicklungsländern, aber auch in den Tigerstaaten, gerade auf technologischer Ebene einige Stadien der klassischen Industrieländer übersprungen werden, schlägt sich zum Teil in anderer Gestalt und Nutzung nieder. Die Idee einer anpassungsfähigen, integrierten und vernetzten Smart City birgt jedoch auch für Europa Chancen und Herausforderungen, denn alte Infrastrukturen, bestehende Netze (Energieversorgung, Nahverkehr, Mobilität, Wasserver- und -entsorgung), urbane Traditionen und Verhaltensweisen (z.B. unterschiedliche Interpretationen des Öffentlichen Raums, Partizipation in Planungsprozessen), kommunale Einrichtungen und Regierungsformen müssen mit neuen Strukturen, Netzen und Konzepten in Einklang gebracht werden, um zukunftsfähig zu bleiben. Die für die Ausstellung ausgewählten urbanen Projekte in Asien zeichnen sich aus durch Kreativität, innovative Anwendungen neuer, wie wiederentdeckter traditioneller Techniken, modernen Technologien und Materialien, durch den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, vor allem aber durch smarte Menschen („Smart People“) . Sie zeugen vom gewaltigen Potenzial der Region, Lösungen für Gegenwart und Zukunft zu entwickeln. Ideen, die weit über Süd-Ost-Asien hinaus relevant sind und für veränderte Verhaltensweisen („Smart Behavior“) im globalisierten Zeitalter stehen. „Smarte“ Städte sind nach unserer Auffassung gut funktionierende Organismen, die auch für die nächsten Generationen vital und lebenswert sind. Widerstands- und anpassungsfähig für die großen Aufgaben von Klimawandel bis Bevölkerungswachstum, ebenso wie für die „kleinen“ lokalen Herausforderungen von Energiewende bis zur Selbstversorgung in urbanen Gärten. Dies bezieht sich sowohl auf die städtischen Infrastrukturen wie auf die zukünftigen Stadtnutzer. Die Terminologie „Smart City“ entwickelte sich aus Städtebaukonzeptionen der 90er Jahre, die neue Planungsstrategien im Zusammenwirken mit smartem Wachstum untersuchten. Heute wird der Begriff zumeist mit IT-Technologien verbunden bzw. mit international agierenden Konzernen, die das Merkmal „smart“ als Marketingtool für ihre Produkte verwenden. In den letzten 20 Jahren entstanden auch verschiedene Städte-Ranglisten („City Rankings“) unter Schlagworten wie „Smart City“, „Green oder Sustainable City“, die Städte weltweit miteinander ins Verhältnis setzen und zur Vergleichbarkeit Kategorien bilden wie: Mobility, Environment, Economy, Governance, Living und People. Was jedoch jede einzelne Stadt an sich und für ihre Bewohner smart, sprich liebens-, überlebenswert, benutzerfreundlich, intelligent und clever macht, ist weder einfach zu kaufen noch global zu beantworten. Beschreibungen wie „Vernetzung“ oder „Smart Grids“ stehen in diesem Aedes-Projekt für Integration, Inklusion, Anschluss, Austausch zw. und von Menschen, Ideen, Bedürfnissen, Anforderungen sowie der Zusammenarbeit von verschiedenen Bereichen und Verantwortlichen. Das Projekt „Smart City: Die nächste Generation“, spielt dabei bewusst mit dem doppeldeutigen Begriff der „Nächsten Generation“. Sie ist zum einen die Weiterentwicklung der (IT geprägten, in Kategorien aufgesplitterten) Stadt, zum anderen sind es die Menschen, die in diesen Städten leben, bzw. ihr Gestalt verleihen. Mit dem Fokus „Süd-Ost-Asien“ wird zudem das Augenmerk auf eine Weltregion gelegt, die mit zu den bevölkerungsstärksten zählen wird. Ein Ziel ist, herauszufinden wie die jungen Städter in Indonesien, Singapur, Kambodscha, Thailand, Vietnam, Philippinen und Malaysia ihre urbanen Verhältnisse sehen, sie sich wünschen und verändern werden und damit auch unsere. Der Terminus „Verhalten“ („Behavior“) und die Möglichkeiten der Verhaltensänderung („Behavior Change“) bilden dabei das Zentrum des Interesses. Wie beeinflussen neue Projekte - von Architektur, Stadtplanung bis zu performativen Eingriffen - Handlungsweisen ihrer Bewohner und Benutzer, bzw. wie infizieren diese wiederum die Stadtgestalt und ihr Funktionieren? Wir haben daher Architekten, Stadtplanern, Künstlern und Aktivisten, die in Süd-Ost-Asien tätig sind, drei Fragen mit auf den Weg gegeben: 1. Auf welche Weise macht Ihr Projekt Ihre Stadt „smarter“? - 2. Was sind die Herausforderungen, die sich in Ihrem speziellen (landesspezifischen) urbanen Gefüge stellen? - 3. Wie verändert Ihr Projekt die Verhaltensweisen der Stadtbewohner/Nutzer? Die Spanne der Smart City-Projekte umfasst ‚Low-Tech’, ‚High-Tech’ und ‚Advanced Technologies’, von ersten Ideen und Visionen bis hin zu bereits erfolgreich realisierten Projekten. Beispiele aus der Gattung ‚Low-Tech’ zeichnen sich oft durch Einfallsreichtum aus und demonstrieren, wie Lösungen ohne großen technischen und finanziellen Aufwand entstehen können. Sie überzeugen zudem oft durch ihre Übertragbarkeit. Smart ist eine Stadt auch, wenn ihre Bewohner gelernt haben, kreativ und erfindungsreich zu sein, beispielsweise alten Infrastrukturen und städtischen Orten neue Bestimmungen zu geben.
Einige Beispiele: Das Educational Resource Centre (ERC) von W Architects, Singapore ist ein multifunktionales Gebäude im Zentrum eines neuen Universitätscampus in Singapur, welches den Studenten auf mehreren Ebenen unterschiedliche Räume zum Lernen, Studieren, Recherchieren, sich Austauschen bietet. Selbstverständlich ist es mit den neuesten IT Standards ausgestattet. Das Beeindruckende bzw. Auffällige jedoch ist, dass das Gros der Studenten untypisch für Singapur und die Region mit ihren Laptops im Freien sitzt ohne Klimaanlage. In einem natürlich belüfteten, ebenerdigen, verschatteten, offenen Raum. Innerhalb diesem sehr modernen Komplex kreist ein, erst auf den zweiten Blick, überdimensionaler altmodisch anmutender Ventilator. Den Studenten der Design- und Architekturfakultäten wird hier auf sehr subtile Weise vermittelt, dass auch herkömmliche Techniken, Kenntnisse einen Bau unübersehbar attraktiv machen können, zudem den Energieverbrauch durch die eingesparte Lüftungsanlage extrem verringern und somit den Campus/die Stadt Singapur mehrfach smarter machen.
Der Entwurf des thailändischen Architekten Tayler Lowe/And Architects, Bangkok, zeichnet sich dadurch aus, dass er sich mit den Fabrikhallen, sogenannte ‚Sweatshops’, samt ihren unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der völlig zersiedelten, unattraktiven urbanen Agglomeration Bangkoks auseinandersetzt. Zum einen fordert er die bewusste Wahrnehmung der die Städte verschandelnden Lagerhallen und damit deren bessere Gestaltung, zum anderen sichtbare (!) Unterkünfte für die dort Beschäftigten. Wohngebäude, die sich an die Fabriken angliedern, samt urbanen Gärten für die Selbstversorgung der dort „ausgebeuteten“ Globalisierungsverlierer. Bezeichnenderweise heißt sein smartes Projekt „Awarehouse“ (to be aware = sich bewusst sein, Warehouse = Lagerhaus).
Jakarta (mit seinen 40 Millionen Einwohnern im Großraum) kämpft mit extremen Herausforderungen bei der Wasserversorgung: - der Lage mitten in einer Erdbebenregion; - dem fortwährend sinkendem Grundwasserspiegel, der die Stadt selbst sinken und die Überflutungsgefahren rapide steigen lässt; - einem Abwassersystem, das für 500.000 Menschen ausgelegt war; - explodierendem Wasserbedarf nicht nur durch die Bevölkerungsexplosion, sondern auch durch massiven Kühlwasserbedarf der Klimaanlagen etc. Das alles lässt Jakarta nach dezentralen Lösungen für Wasseraufbereitung und Wiederverwendung suchen. Mitten in diesem Szenario liegt die Shopping Mall ‚Plaza Indonesia’ mit 70.000 m2 samt dem Grand Hyatt mit 450 Zimmern, 7 Restaurants etc. Dort recycelt nun ein Bioreaktor das auf den Dächern gesammelte Regenwasser samt allen Mall-Abwässern, speist damit die Kühlung der Klimaanlagen und bewässert die Dachgärten. Das Gesamtprojekt von HUBER Technology reduziert so den Trinkwasserverbrauch, die Inanspruchnahme der städtischen Infrastruktur und für den Betreiber die Wassergebühren. Zudem macht es den Komplex unabhängiger von den unterirdischen Leitungen, der Einsatz modernster Technologie schafft Vertrauen in neue Systeme, so auch die Nutzung von aufbereitetem Wasser für Funktionen, die kein Trinkwasser benötigen.
Die malaiische Architektin Eleena Jamil provoziert und propagiert mit dem preisgekrönten Projekt HOME kleinste mobile containerartige Wohneinheiten für ältere, schlecht abgesicherte Einwohner Singapurs. Auf öffentlichen Flächen werden sie – so die Idee – mit ihren ‚Kioskmobilen’ selbst zu ihrem Unterhalt beitragen, in dem sie die Flächen sowohl für Werbungen vermieten, kleine Dinge des täglichen Bedarfs verkaufen und die Container singapurgemäß begrünen. Jamil kämpft damit für einen Platz einer bisher nicht sichtbaren Gruppe im urbanen Geflecht („Urban Fabric“) Singapurs.
Verhaltensänderungen im weltmaßstäblichen Sinne haben das Team um Prof. Dirk Hebel am Future City Lab der ETH Zürich in Singapur im Blick. Sie erforschen die „Smart Material“ Qualitäten von Bambus im professionellen Bausektor. Die Idee: Stahl durch Bambus ersetzen. Denn „Bambus-Beton“ könnte langfristig gesehen die gesamte Region um den Äquator revolutionieren und die wirtschaftlichen wie sozialen Bedingungen in Entwicklungsländern erheblich verbessern sowie den C02-Ausstoß deutlich verringern.
Auch der indonesische Architekturstudent Hardy Suanto verwendet Bambus vielfältig in seinem Entwurf des „Biological Environment Restoration Project“ um das Pluit Reservoir am Rande Jakartas. Zum einen trennt der Bambus verschiedene Schichten („Layers“) – Algen, Schilfgraß, Wasserlinsen und Wasserhyazinten - der biologischen Wasserfiltration im Reservoir und dient als Grundlage für schwimmenden Gemüseanbau. Zum anderen baut Suanto auf bestehende legale Häuser Bambuskonstruktionen für benachbarte Slumbewohner, die mit ihren illegalen Behausungen das Reservoir verunreinigen. Nicht zuletzt fängt der Bambus auch das Regenwasser auf, das den „Gastgebern“ in den unteren Etagen des „Symbiosehauses“ zur Verfügung steht. Der Ansatz des Projekts liegt – angemahnt in mehreren Projekten der Region – im Ausgleich zwischen City (hier der Hauptstadt Jakarta) und dem Umland, deren Probleme sich wechselseitig verstärken und nur gemeinsam in smarten Lösungen zu finden sind.
Bereits zu realen Umsetzungen kamen zwei Community-Projekte in Davao auf den Philippinen sowie in Yogyakarta in Indonesien 2011 bzw. 2012. Dort übernahmen lokale Gruppen sowohl die Planung, die Finanzierung sowie den Bau benötigter einfachster Infrastruktur aus Bambus, eine Fußgängerbrücke wie einen Gemeindetreffpunkt, und gestalten durch den Einsatz lokal vorhandenem, billigen, erneuerbaren Baumaterial, eigener Arbeitskraft und Organisationswillen ihre rapide wachsenden, mittelgroßen Städte deutlich „smarter“. Die Männer übernahmen den Bau, die Frauen die Finanzierung und Planung und stärkten damit die Gemeinschaft im Sinne kollektiver Arbeit, die Bewahrung traditionellem Wissens sowie des Gemeinschaftsgeists.