15.12.2020–16.1.2021

Hans Wilhelm Auer

Bundeshausarchitekt
Adresse
Effingerstrasse 1, Bern CH3001

Damit das Bundeshaus gebaut werden konnte, mussten bestehende Gebäude abgerissen werden, was zum Teil nur mit Enteignungen möglich wurde. Der Platz für das Parlamentsgebäude selbst war das eine, der Raum für den Platz davor das andere. Der Bundesplatz ist zur Mitte unserer Demokratie geworden. Das wissen auch die, die man weniger gern dort sieht: Zufällig haben die Coronaleugner und Verschwörungstheoretikerinnen in den vergangenen Monaten nicht den Bundesplatz ausgesucht, um ihre fragwürdigen Botschaften zu verbreiten.

Grosse architektonische Geste
Aber der Platz wird auch dies überstehen. Er musste schon für viel herhalten, Aufmärsche, Fackelzüge, Krawall, Konzerte, Märkte und lange Zeit auch als ganz profaner Parkplatz. Dies allerdings hat sich geändert, jetzt ist er nur noch ein Platz, ein weiter Raum, der das Parlamentsgebäude dahinter erst richtig zur Geltung bringt. Hans Wilhelm Auer (Bild), er lebte von 1847-1906, hätte das gefallen. Respekterheischend, so hatte sich der Architekt das Bundeshaus vorgestellt. Und davon, von dieser grossen architektonischen Geste, lebt der Ort noch immer.

Auer war ein «Stararchitekt»: Er gewann zwei Wettbewerbe für den Bundeshauskomplex, war einflussreiches Mitglied in fast allen wichtigen Jurys der damals boomenden Schweizer Architektur, entwarf die Postgebäude in Liestal und Solothurn und wurde zum Wettbewerb für den Friedenspalast in Den Haag eingeladen. In Bern legte er Pläne für ein neues Casino und ein Stadttheater, für Kirchen und eine Villa im Obstberg vor. Trotz seiner Erfolge war er am Ende seines Lebens verbittert. Denn die von ihm bis in jedes Detail konsequent vertretene historistische Architektur der Neorenaissance war «unmodern» geworden.

Breite Dokumentation, weiter Blick
Die von der Kunsthalle Kunsthaus Palazzo Liestal übernommene, von Konrad Tobler und Massimiliano Madonna kuratierte Ausstellung präsentiert erstmals das gesamte Werk Auers, also Gebäude und Projekte in Zürich, Berlin, Wien, Liestal, Solothurn, Luzern und in Bern. Zu sehen sind Plankopien aus dem Nachlass von Hans Wilhelm Auer, zudem einzigartige zeitgenössische Fotografien und grafische Blätter.
Eingebettet ist Auers Schaffen in den Kontext seiner Zeit, etwa mit einem Blick auf die Mythenbilder des neuen schweizerischen Bundesstaates. Und mit einem architektonischen Blick nach Rom, Florenz, Paris, Mailand, Washington, Dresden und Zürich. Bewusst wird so auch, dass das Parlamentsgebäude in Bern prominente Verwandte hat: die Freiheitsstatue in New York oder den Eiffelturm in Paris. Denn hinter den üppigen Fassaden der historistischen Architektur verbergen sich grandiose Eisenkonstruktionen; diese zeugen vom gewaltigen technischen und industriellen Fortschritt jener Zeit.

Die Ausstellung ist jedoch nicht ausschliesslich auf die Epoche des Historismus in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts fokussiert. Auers Architektur wird vielmehr gegenwärtig – und zwar in all ihrer Ambivalenz. Sie tritt in einen spannungsvollen Dialog mit Werken von zeitgenössischen KünstlerInnen wie Giro Annen, Boris Rebetez, Beat Feller, Matthias Gnehm, Christian Grogg, Thomas Hauri, Roberta Müller, Pavel Schmidt, Sibylla Walpen, Niklaus Wenger und Beat Zoderer.

Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche, reich illustrierte Publikation mit einem Werkverzeichnis von Hans Wilhelm Auer.