9.10.2022–26.3.2023

Baubilder und Erinnerungsmuster

Adresse
Oberseestraße 60, 13053 Berlin
Öffnungszeiten
Di–So 11–17 Uhr

Mies war ein Formenfinder, aber mehr noch als die reine Form erforschte er das Verhältnis zwischen Raum und Geist. Seine Denkmalprojekte sind wegweisende Entwürfe, ob zerstört, nie gebaut oder nur als Bilder erhalten. Bei Bingen entwirft Mies 1910 eine Pfeilerhalle, die einen offenen Raum umfasst. Über Weinbergen erhebt sich sein Denkmal als Erinnerungsmal für den deutschen Übervater Bismarck. Von Ferne grüßt Schinkels Entwurf für das Orianda-Schloss auf der Krim. Hier beherrscht das „Denkmal als Palast“ den Rhein.

Für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gestaltet Mies im Frühjahr 1926 einen Block; keinen Raum, keine Hülle, stattdessen eine wuchtige Skulptur aus vor- und zurückspringenden Backsteinquadern in einer Gartenlandschaft. Er überhöht das Revolutionsdenkmal zum abstrakten Rednerpult, von dem aus die Überlebenden die Toten der Revolution ehren und gleichsam in die Zukunft weisen. Zwischen erratischer Monumentalität und Bewegung wird Mies‘ rhythmisierte Backsteinarchitektur so zum „Sinnbild der Masse".

Nach dem Bismarckdenkmal bei Bingen und dem massiven Körper des Revolutionsdenkmals in der Friedrichsfelder Friedhofslandschaft entwirft Mies 1930 einen „leeren Raum“: Innerhalb der Schinkelschen Mauern der Neuen Wache schafft Mies einen stillen Erinnerungsraum. Architektur und Gedenken kommen vor nackten Wänden zueinander und lenken den Blick auf die antike Cella, mit ihrem Opfer und Gedenkblock aus schwarzem Granit. Im Zwischenreich von Architektur und Kunst macht Mies drei Vorschläge zur modernen Erinnerungskultur. Mit dem Palast, dem Block und dem leeren Raum präzisiert der Architekt räumliche Erinnerungswelten zwischen persönlicher und kollektiver Bildfindung.