Piranesis Paestum

Neuentdeckung der Meisterzeichnungen
Address
Christinenstrasse 18a, 10119 Berlin
Hours
Mon–Fri 2–7 pm, Sat 1–5 pm

Das neue Museum für Architekturzeichnung öffnet am 1. Juni 2013 seine Tore und präsentiert eine hochkarätige Ausstellung der Originalzeichnungen von Giovanni Battista Piranesi aus der Sammlung des Sir John Soane’s Museums in London.

Erstmalig werden fünfzehn Zeichnungen des „Paestum-Zyklus“ Piranesis aus der Sammlung des Sir John Soane‘s Museum außerhalb Londons gezeigt. Nach der vielbeachteten Präsentation in London eröffnet die Ausstellung das Museum für Architekturzeichnung der Tchoban Foundation am Berliner Pfefferberg und wan­dert Anfang 2015 ins Morgan Library & Museum, New York.

Kunsthistorisches Schlüsselwerk

Die Ausstellung des letzten großen grafischen Projektes von Giovanni Battista Piranesi, seine vollendeten Zeichnungen von Paestum, die im Sommer 2013 im neuen Museum für Architekturzeichnung in Berlin gezeigt werden, vertieft unser Verständnis dieses Malers, der zahlreiche Künstler von Escher bis zu den Machern der Harry-Potter-Filme beeinflusst hat, und gibt Aufschluss über den beachtlichen Einfluss seines Werks auf die architektonische Gestaltung des 18. Jahrhunderts.

Zum ersten Mal seit Piranesis Tod werden alle fünfzehn Zeichnungen der Sir-John-Soane-Sammlung gemeinsam ausgestellt. Die Zeichnungen von Paestum sind Piranesis Vorstudien für die Différentes Vues de Pesto, die von seinem Sohn Francesco fertiggestellt und nach seinem Tod 1778 veröffentlicht wurden. Sie zeigen Ansichten der drei großen dorischen Tempel in der ehemaligen griechischen Kolonie von Poseidonia in Italien in der Nähe von Neapel, die am Ende des sechsten Jahrhunderts vor unserer Zeit von den Römern erobert und in Paestum umbenannt wurde.

Paestum als Motiv

Nachdem sie lange Zeit verlassen und später durch Malaria-Sümpfe isoliert waren, wurden die Ruinen von Paestum 1746 beim Bau einer neuen Straße wie­derentdeckt. Die massiven und gut erhaltenen, Poseidon, Hera und Athena gewid­meten dorischen Tempel weckten das Interesse von Künstlern und Architekten, darunter auch des bereits gefeierten Giovanni Battista Piranesi, und waren Inspiration für Zeichnungen, Drucke, Bilder und Modelle, die das Verständnis der frühklassischen griechischen Architektur revolutionierten.

Piranesis Technik

Die Zeichnungen von Paestum sind in Piranesis Gesamtwerk außergewöhnlich, denn der Künstler zeichnete normalerweise nur Vorstudien für seine berühmten Radierungen, der größte Teil seiner Kompositionen entstand später direkt bei der Gravur auf der Kupferplatte. Der Detailreichtum dieser Zeichnungen reicht hingegen fast an das der fertigen Drucke heran, und es wird vermutet, dass Piranesi im Bewusstsein seiner schwindenden Gesundheit so viele Details wie möglich einfügte, um seinem Sohn die Vollendung des von ihm begonnenen Werks zu ermöglichen. Piranesi greift dabei auf sein ganzes Repertoire an zeich­nerischem Können zurück, um die Architektur von Paestum präzise zu beschreiben und gleichzeitig deren atmosphärische, ländliche Umgebung darzustellen.

Die mehrschichtige Verwendung von Bleistiften in braunen und grauen Lavierun­gen, manchmal auch durch Kreide oder Rötel ergänzt, schafft einen Tiefenef­fekt, der mit den verschiedenen Ätzungen der entstandenen Gravuren verglichen werden kann. Das grobe Papier, das Piranesi benutzte, hat eine ähnliche Struk­tur wie der Travertin, aus dem die Tempel gebaut wurden, und imitiert dessen narbige und erodierte Oberfläche.

Piranesi bediente sich darüber hinaus eines besonderen Kunstgriffs – der Scena per Angolo wie in den berühmten Bühnenzeichnungen Ferdinando Bibienas – um seinen Zeichnungen eine einzigartige Perspektive zu geben, indem er den tradi­tionell zentralen Fluchtpunkt durch diagonale Achsen ersetze und so die Dreidi­mensionalität der Tempel hervorhob und deren dramatische Wirkung steigerte.

Dr. Jerzy Kierkuć-Bielinski, der Kurator der Ausstellung:

Wir freuen uns, eine fokussierte Ausstellung präsentieren zu können, die den Einfluss und die tadellose Qualität einer kleinen Auswahl von Zeichnungen würdigt. Die Position der fünfzehn Zeichnungen der Soane Sammlung in Sir John Soanes erfindungsreichen Bildertafeln ließ bislang eine nahe Betrachtung nicht zu. Wir hoffen, dass die konservatorische und akademische Forschung, die von dieser Ausstellung angeregt wird, neues Licht auf die Geschichte und das architektonische Erbe von Giovanni Battista Piranesi werfen wird.“

Eine überarbeitete Farbausgabe des Buchs von Professor John Wilton Elys „Pira­nesi, Paestum and Soane“, eine ausführliche Beschreibung des tiefgreifenden Einflusses von Piranesi auf Soanes Architektur und auf das Museum ist im Pres­tel Verlag erscheinen und kann im Museum erworben werden.