Francesca Torzo
Als Francesca Torzo 2016 im Rahmen der Ausstellung „Italomodern 2“ als Vertreterin der jungen Generation im aut war, galt die 1975 in Padua geborene Architektin noch als Geheimtipp. Damals stellte sie u. a. ihr Siegerprojekt für die Erweiterung des Z33 – Zentrum für zeitgenössische Kunst in Hasselt vor, mit dem sie erste internationale Aufmerksamkeit auf sich zog. Inzwischen ist ihre sensible Erweiterung des heterogenen Komplexes aus Backsteinbauten nicht nur mit dem „Premio Italiano di Architettura“ ausgezeichnet worden, sondern war 2022 auch unter den fünf Finalisten beim international renommierten Mies van der Rohe Award.
Francesca Torzo studierte an der TU Delft, der ETSAB Barcelona, der Accademia di Architettura di Mendrisio und der IUAV in Venedig, danach arbeitete sie u. a. bei Peter Zumthor. Seit 2008 führt sie ein eigenes Architekturbüro in Genua, das inzwischen aus einem internationalen Team junger Architekt*innen besteht. Neben kleinen, raffinierten Wohnbauprojekten in Italien wie etwa der Casa Due und der Casa Green Crane in der Altstadt von Sorano oder dem Ferienhaus Podere la Pianella auf Elba, ist das Büro auch international tätig und plant derzeit etwa einen Aussichtspavillon in Yangshuo in China.
Was alle diese Projekte verbindet, ist der extrem hohe Anspruch, den Francesca Torzo aus ihrem Verantwortungsbewusstsein heraus an sich selbst und ihre Arbeit stellt. „Bevor man etwas tut, muss man beobachten und nachdenken. Alles andere ist respektlos.“ Nach dieser Prämisse steht am Beginn jeder Planung eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ort und der Aufgabenstellung, mit pragmatischen Rahmenbedingungen und materiellen Zwängen, aber auch mit dem kulturellen Kontext. So liest sich Francesca Torzo in die Geschichte des Ortes ein, beschäftigt sich mit dessen Stimmung, führt Gespräche mit Bewohner*innen und nähert sich dem Ort mittels Zeichnungen und Aquarellen an. Nach und nach kristallisiert sich eine Vision heraus, in die auch Erinnerungen, Gedanken und Gefühle einfließen und die durchaus Widersprüche enthalten kann. In kontinuierlichem Dialog mit allen beteiligten Akteur*innen werden Konflikte und Meinungsverschiedenheiten offen angesprochen, um schlussendlich zu einem Ergebnis zu kommen, das machbar ist, aber immer noch die Qualität und Integrität der Ursprungsvision enthält.
Diese von Achtsamkeit, Präzision und Beharrlichkeit geprägte Herangehensweise erfordert viel Zeit und die notwendige Ruhe und Konzentration. Den neuen Flügel des Z33 etwa hat Francesca Torzo mit ihrem Atelier über neun Jahre hinweg geplant, dabei unzählige Male vor Ort die Strukturen und Tonmischungen des vorhandenen Bestands studiert, einen rautenförmigen Terracotta-Ziegel entwickelt und lange an der Rezeptur der Zuschlagstoffe herumgefeilt. In den Ausstellungsräumen – einer Abfolge von Situationen mit spezifischen Proportionen und Stimmungen – hat sie jede einzelne Oberfläche mit größter Sorgfalt bedacht und bis ins Detail durchgestaltet, sogar eigene Türgriffe designt.
Die von Francesca Torzo für das aut konzipierte Ausstellung „Day by Day“ ist ihre erste große Personale. In Form eines atmosphärisch dichten Parcours durch unsere Räumlichkeiten werden einige der für sie wesentlichen architektonischen und gesellschaftlichen Fragestellungen verhandelt und die Arbeitsweise des Büros vorgestellt. So veranschaulichen auf Tücher projizierte, animierte Zeichnungen den Gedankenfluss im Entstehungsprozess und großformatige Seidendrucke geben Einblick in Torzos auf jahrelangen Reisen entstandenes Bildarchiv an Referenzen. Gezeigt werden auch Kontext- und Gebäudemodelle und einige der u. a. für die Brüsseler Galerie Maniera entworfene Möbel. Ein „Archiv des Ateliers“ präsentiert Experimente, aber auch Misserfolge und macht die Menschen sichtbar, mit denen das Atelier zusammengearbeitet hat. Denn ein Gebäude ist für Francesca Torzo immer das Ergebnis der Arbeit vieler Menschen, die es zu würdigen gilt.