Deutsche Filmarchitektur

1918–1933
Adresse
Christinenstrasse 18a, 10119 Berlin Map
Öffnungszeiten
Mo–Fr 14–19 Uhr, Sa 13–17 Uhr

Das Jahr 2019 steht im Zeichen vieler wichtiger Feierlichkeiten, darunter das 100-jährige
Jubiläum des Bauhauses, der ersten deutschen demokratischen Verfassung und des Frauenwahlrechts in Deutschland. Alleine die historische Bedeutung dieser Ereignisse verdeutlicht, dass in der kurzen Zeit des Bestehens der Weimarer Republik wichtige Grundlagen der Moderne gelegt wurden.
Die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg und die darauffolgende Novemberrevolution 1918 bedeuteten für das Land eine Zäsur, die den Ruf nach radikalen Veränderungen, auch im Kulturbereich, lauter werden ließ. Walter Gropius, der erste Direktor des Bauhauses, setzte die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges in Beziehung zur Bauphilosophie: „Eine Welt ist zu Ende. Wir müssen für unsere Probleme eine radikale Lösung finden.

Diese besondere historische und gesellschaftliche Konstellation bereitete einen fruchtbaren Boden für neue avantgardistische Stilrichtungen: Futurismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Expressionismus, die nicht nur die bildende Kunst, sondern im gleichen Maße die Literatur, die Musik, das Theater und nicht zuletzt den Film beeinflusst haben. Das neue Massenmedium gewann schnell das Publikum für sich, denn es bot eine willkommene Ablenkung von den politischen Krisen und Sorgen des Alltags.
In der Weimarer Republik erlebte die Filmindustrie eine rasante Entwicklung: Neben der 1917 zunächst als Bild- und Filmamt (BUFA) gegründeten UFA (Universum-Film- Aktiengesellschaft) gehörte die 1916 entstandene Deutsche Lichtbild-Gesellschaft (DLG bzw. Deulig) – beide zu Propagandazwecken ins Leben gerufen – zu den Marktführern der Branche. Neue Lichtspielhäuser schossen wie Pilze aus dem Boden, ihre Zahl wuchs in Deutschland von 1918 bis 1930 auf 5.000. Es waren überwiegend Stummfilme, die der Zuschauer zu sehen bekam. Ende der 1920er Jahre stieg die Tonfilmproduktion an und löste den Stummfilm bis 1936 endgültig ab.
Neben den Regiestars des deutschen Kinos wie Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau und Ernst Lubitsch erlangten viele Filmarchitekten, heute oft Szenenbildner genannt, wie Otto Hunte, Erich Kettelhut, Hermann Warm und Robert Herlth große Bekanntheit. Ihre Arbeit war von ebenso großer Wichtigkeit, denn sie umfasste neben der Gestaltung des Szenenbildes weitergehende Planungen in der Umsetzung der Filmidee: Die Skizzen enthielten oft bereits vorgezeichnete Kamera- und Schauspielerpositionen, die Kulissen aufgemalte Lichteffekte, was in der Nachkriegszeit wegen der Unterbrechung der Stromversorgung von großer Bedeutung war. Für einige Szenen mit Spezialeffekten wurden aufwendige Modelle gebaut, die teilweise nur für eine kurze Sequenz im Film zu sehen waren. Henri Langlois schrieb voller Bewunderung über den deutschen Stummfilm in einer Festschrift für Robert Herlth 1965: „Die Metaphysik des Dekors ist ein Geheimnis des deutschen Films. Und in den Filmen, bei denen die Komposition alles bedeutet, ist [der] Filmarchitekt der Alchimist einer Welt, die er dank der Magie seines Wissens quellend erstehen lässt.

Wie in der Baukunst kommt es im Film auf die Wirkung der Räume an: Der Zuschauer im Kinosaal erlebt den Raum im Film ähnlich wie ein Bauwerk, mit seinen ganzen Sinnen, auf kognitiver Ebene. Durch die Verkleinerung, Vergrößerung oder Veränderung der Perspektive lassen sich unterschiedliche Effekte erzielen, welche die Handlung des Films und emotionale Wirkung auf den Zuschauer beeinflussen. Die Zeichnungen der Ausstellung stellen verschiedene Möglichkeiten der Raumveränderung vor: Vorhänge, Licht und Schatten, aber auch Treppen und Brücken, die Räume verbinden oder trennen können. Eine große Rolle kommt auch der Linie zu: Schiefe, gebrochene oder im Zickzack verlaufende Linien haben eine andere Wirkung auf den Zuschauer als gerade, wie Rudolf Kurtz in seinem Werk Expressionismus und Film 1926 anmerkte.
Viele Filme dieser Zeit werden dem Expressionismus zugeordnet, was bei Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) von Robert Wiene oder Der Golem, wie er in die Welt kam (1920) von Paul Wegener zum Teil den expressionistischen Filmbauten geschuldet ist. Im Gegensatz zur Entwurfsarbeit für tatsächliche Bauvorhaben bot der Film den Architekten nicht selten mehr künstlerische Freiheit, kühne Ideen zu entwickeln, die im Rahmen der temporären Installationen im Studio umgesetzt wurden. Die im Szenenbild meisterlich umgesetzten Entwürfe entstanden zunächst auf dem Papier: Das Museum für Architekturzeichnung zeigt Arbeiten von Emil Hasler, Robert Herlth, Otto Hunte, Erich Kettelhut, Hans Poelzig, Franz Schroedter und Hermann Warm zu Das Cabinet des Dr. Caligari, Der Golem wie er in die Die Ausstellung wurde kuratiert von Nadejda Bartels, Direktorin des Museums für Architekturzeichnung, und basiert auf Leihgaben der Deutschen Kinemathek in Berlin, des DFF – Deutschen Filminstituts & Filmmuseums in Frankfurt am Main und des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.